Digitalisierung

Fehlerkultur im Unternehmen: Basis für den digitalen Wandel

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2021

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Team Konversation im Büro

Die Aufgabenstellungen einer global ausgerichteten Wirtschaft fordern Unternehmen einiges ab, wollen sie nicht unwiderruflich ins Hintertreffen geraten. Die Unternehmenskultur der am Marktgeschehen beteiligten Organisationen muss diesen Anforderungen gerecht werden, um das Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten. Insbesondere die digitale Transformation ist das Gebot der Stunde.

Ob Unternehmen sich in einem Umfeld digital angelegter Produktionsprozesse, Logistik und Kommunikation behaupten können, hängt im Wesentlichen von den IT-Projekten ab, die auf diesem Weg zur Anwendung kommen. Zentraler Faktor dabei ist die implementierte Fehlerkultur. Sie bestimmt darüber, ob sich Transformationsprozesse ohne Reibungsverluste durch die erforderlichen Anpassungsphasen hin zum erfolgreichen Zielszenario entwickeln können.

Ganz klar, eine offene Unternehmens- und Fehlerkultur bedeutet, dass Sätze wie "Das hätten Sie wissen müssen." und "Das interessiert mich nicht, sehen Sie zu, dass es funktioniert." gerade bei größer angelegten Projekten klar der Vergangenheit angehören. Gerade bei groß angelegten IT Projekten zur Digitalisierung, gehören Fehler und Probleme dazu, um Optimierungen und Verbesserungen vorzunehmen. Selbst bei gewissenhafter Vorplanung und akribischer Strategie, sind die Erfahrungswerte aus dem Realbetrieb essenziell und unersetzbar.

Doch was bedeutet Unternehmenskultur vor dem Hintergrund des digitalen Wandels?

Kulturwandel im digitalen Umfeld

Unternehmenskultur, ein oft verwendeter, aber vielfach nur vage definierter Begriff, ist der Dreh- und Angelpunkt im Change Management. Ob Digitalisierungsprojekte für die Produktion, Auslagerung in die Cloud, Integration neuer Technologien: Jedes Projekt leitet seinen Erfolg – oder Misserfolg – von der Unternehmenskultur ab, unter deren Parametern es aufgesetzt und durchgeführt wird.

Aus der Sicht der digitalen Transformation ist Unternehmenskultur eine zusammengesetzte Entität mit diesen Elementen:

  • Kooperationskultur
  • Kommunikationskultur
  • Fehlerkultur

In diesem Szenario fungiert die Fehlerkultur als Korrektiv der beiden anderen Kulturen, um Prozesse der Zusammenarbeit sowie der inneren und äußeren Kommunikation zu ihrem qualitativen Höchststand zu führen.

Grafische Darstellung der digitalen Unternehmenskultur

Zentrales Paradigma des digitalen Wandels: Flexibilität

Unternehmerischer Erfolg basiert zunehmend auf der Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Angesichts der Tatsache, das sich Veränderungen von ihrem früheren Status als Ausnahmeerscheinung unaufhaltsam zum Normalfall entwickeln, gewinnt das Vermögen, flexibel und schnell darauf zu reagieren, zentrale strategische Bedeutung.

Die Integration von Veränderungen im unternehmerischen Umfeld machen umfassende Maßnahmen nötig. Das schnelle Reagieren auf Änderungsprozesse erfordert die bereitwillige Akzeptanz von Fehlern, die daraus entstehen können. Gute Fehlerkultur bedeutet: Fehler nicht als Störfaktor, sondern als Chance auffassen und sie produktiv in Optimierungsprozesse umzuwandeln.

Unternehmenskultur – ein evolutionärer Prozess

Gute Unternehmenskultur – und hier insbesondere gute Fehlerkultur – lässt sich nicht von oben per Aufsichtsratsbeschluss verordnen. Sie muss von innen heraus wachsen und sich weiterentwickeln. Die Aufgabe der Führungsebene ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit Entwicklungsprozesse ungestört verlaufen können.

Das tägliche Arbeitsumfeld ist der Nährboden, auf dem gute Fehlerkultur wächst. Es sind einzelne Initiativen, die über die Zeit hinweg in großer Zahl zu einer Weiterentwicklung führen. Gerade bei der Kooperation einzelner Teams oder Mitarbeiter spielt die Qualität der Fehlerkultur eine zentrale Rolle. Kommt es hier zu Reibungsverlusten oder Konfliktlagen, sind Projekte des digitalen Wandels unweigerlich zum Scheitern verurteilt.

Hier kann die Chefetage führend und regulierend wirken, wenn sie die Fähigkeit entwickelt, laufende Transformationsprozesse zu kanalisieren und zu optimieren, statt durch dirigistische Eingriffe Irritation und Demotivation zu schaffen. Digitaler Wandel gelingt nur im kooperativen Zusammenwirken von Leitung und Belegschaft. Die Fehlerkultur ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor.

Gute Unternehmenskultur lässt sich nicht von oben per Aufsichtsratsbeschluss verordnen. Sie muss von innen heraus wachsen und sich weiterentwickeln.

Kooperationskultur

Neue Arbeitsweisen setzen neue Denkweisen voraus. Die ungewohnte Art und Weise, wie Mitarbeiter und Teams nach Anwendung der Transformationsprozesse miteinander agieren und kooperieren, muss im Laufe der Zeit zum selbstverständlichen Handlungsmuster werden. Die Führung muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Anpassungsprozesse möglichst störungsfrei ablaufen können.

Dass es dabei zu Fehlern kommt, ist unvermeidlich. Die Art und Weise, wie der Umgang mit Fehlern in die Arbeitsprozesse integriert wird und – nicht zuletzt – wie die Führungsebene damit umgeht, entscheidet letztendlich darüber, ob die Mitarbeiter die neue Arbeitswelt verinnerlichen, akzeptieren und produktiv umsetzen.

Digitaler Wandel bedeutet nicht in erster Linie die Etablierung neuer Methoden. Entscheidend ist vielmehr, ob es gelingt, neue Denkweisen und Kooperationsphilosophien in den Hirnen und Herzen der Mitarbeiter zu verankern. Natürlich sind Steuerungsmethoden wie Kanban oder Vorgehensmodelle wie Scrum in vielen Fällen wichtige Faktoren hin zur digitalen Neupositionierung. Wird allerdings kein Umfeld geschaffen, in dem Teams in der praktischen Anwendung die neuen Herausforderungen gemeinsam lösen und Probleme gemeinsam bewältigen können, kann auch die fortschrittlichste Methodik den Erfolg nicht herbeizwingen.

Ein aussichtsreicher Weg ist die Kombination bereits bewährter Werkzeuge und Prozesse zu neuen Methoden. Ob das gelingt, hängt in wesentlichem Umfang von der Fehlerkultur ab, die einem solchen Transformationsprozess zugrunde liegt.

Visualisierung schafft Akzeptanz

Die Visualisierung der Arbeit von Teams schafft Transparenz für das Team und das Management gleichermaßen. In beiden Fällen unterstützt die Visualisierung die Möglichkeit, Effektivität und Erfolgsaussichten des Teams zu optimieren:

  • Für das Team bedeutet Visualisierung die Offenlegung aktueller Fragen, beispielsweise zur Arbeitsverteilung, zum Ressourcenmanagement oder zum aktuell erforderlichen Wissenstransfer.
  • Das Management behält durch Visualisierung den Überblick über die aktuelle Arbeit der einzelnen Teams und über deren Auslastung

Planung schafft Perspektive

Projekte im Change Management benötigen einen organisatorischen Rahmen, um das angestrebte Ergebnis als Vision zu manifestieren und allgemein erfahrbar zu machen. Der übliche Weg ist die Aufteilung des Gesamtprojekts in Einzelschritte, die sich leicht handhaben lassen. Diese Form der Untergliederung (Work Breakdown Structure) macht eine strukturierte Arbeitsweise und die Visualisierung möglich.

Damit sich das Projekt nicht im Nebel unbestimmter Zeitabläufe verliert, muss jeder Einzelschritt mit einem konkreten Zeitstempel versehen werden. Aus der Summe der einzelnen Schrittzeiten ergibt sich die Gesamtzeit des Projekts – und eine verbindliche Handlungsrichtlinie, die das nachträglicher Hinzufügen von Zusatzschritten verhindert. So lässt sich beispielsweise die Time-to-Market (bei Einführung digitaler Lösungen und Produkte) so kurz wie möglich halten.

Auch bei Prozessen auf der Meta-Ebene, also bei der Planung von Verlauf und Zeitmanagement des Change-Projekts, kann eine effektive Fehlerkultur regulierend auf die Abläufe einwirken und unerwünschte Abweichungen und Verzögerungen verhindern.

Kommunikationskultur

Ob ein Projekt erfolgreich endet, hängt zu wesentlichen Teilen von der Qualität der Kommunikation zwischen den Beteiligten ab. Das gilt in besonderem Maße bei Projekten des digitalen Wandels, die von der Qualität des innovativen und kreativen Inputs abhängen und bei denen Veränderungen zur täglichen Routine gehören.

Gerade bei der Kommunikation gibt es zahlreiche Stolpersteine, die Ausgangspunkt für Fehler sein können. Das gilt gerade bei einer zentralen Aufgabe von Kommunikation: dem Ausräumen von Missverständnissen. Das Ziel, Informationsinhalte fehlerfrei an alle Beteiligten zu liefern, ist oft schwieriger als es den Anschein hat.

Vielen Menschen fällt es schwer, die eigenen Gedanken und Ideen sprachlich so zu vermitteln, dass sie unverfälscht beim Empfänger ankommen. Auch auf der Seite der Zuhörer kann es zu Reibungsverlusten kommen: Die Information wurde zwar fehlerfrei auf den Weg gebracht, wird aber nicht richtig verstanden.

Das Ziel guter Kommunikationskultur ist es, Inhalte nicht nur fehlerfrei zu übermitteln, sondern sie auch so zu gestalten, dass sie beim Empfänger sowohl gehört als auch verinnerlicht werden. Echte Verständigung kann erst entstehen, wenn das Gesagte in die Gedankenwelt des Hörers eindringt und sich dort festsetzt.

Ein weiteres wesentliches Element guter Kommunikationskultur ist die Existenz effizienter Feedbackverfahren. Hier kommt die Fehlerkultur zum Einsatz: Erst die Rückmeldung der Rezipienten schafft die Sicherheit, dass die vermittelten Inhalte angekommen sind und verstanden wurden.

Das Ziel guter Kommunikationskultur ist es, Inhalte nicht nur fehlerfrei zu übermitteln, sondern sie auch so zu gestalten, dass sie beim Empfänger sowohl gehört als auch verinnerlicht werden.

Fehlerkultur als zentrales Regelventil der digitalen Transformation

Erfolgreiches Change Management setzt zwei Aspekte voraus: Transparenz der laufenden Prozesse auf allen Ebenen und eine effiziente und anschauliche Visualisierung. Erst die Kombination beider Faktoren führt zu echter Akzeptanz und produktiver Kooperation aller am Prozess Beteiligten. Auf diesem Weg entsteht nicht nur Überschaubarkeit, sondern auch ein verbindliches Regularium und objektive Messverfahren.

Das alles kann nur Wirklichkeit werden, wenn das Scheitern Teil des Gesamtprozesses wird. Auftretende Fehler können einer der wichtigsten Faktoren auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss des Prozesses werden – wenn es erlaubt ist, sie bewusst wahrzunehmen, zu analysieren und Optimierungsstrategien daraus zu entwickeln.

Fehlerkultur hilft dabei, das Kooperationsprinzip eines Change-Prozesses produktiv zu unterstützen. Sie macht Fehler zu einem Positivposten des gesamten Projekts, denn durch die direkte Einbeziehung lassen sich Schwachstellen und Fehlentwicklungen direkt angehen und in optimierte Abläufe umwandeln.

Fehler sind nützliche Helfer auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss. Gute Fehlerkultur berücksichtigt diese Tatsache und schafft Möglichkeiten, das Potential, das aus der Fehleranalyse erwächst, optimal zu nutzen.

ÜBER DEN AUTOR / DIE AUTORIN

Tobias Linden

Seit 2019 ist Tobias als Geschäftsführer bei der computech GmbH im Bereich Marketing, Produktentwicklung und New Business Development tätig. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrung im Bereich Design und Marketing, insbesondere im UX/UI Design, liegt Tobias die Arbeit mit Menschen zur Schaffung von digitalen Lösungen am Herzen. Im firmeneigenen Blog teilt er Tipps, Erfahrungen und Einblicke aus dem prozessorientierten IT Bereich, um Digitalisierung zugänglicher und verständlicher zu machen.